Neue Medikamente

Medikamente für aHUS

Für aHUS ist die wirksamste Therapie der Wirkstoff Eculizumab (Handelsname Soliris), der die Komplementenaktivierung auf der Ebene C5 blockiert. Es wird alle 2 Wochen (in einigen Fällen alle 3-4 Wochen) intravenös verabreicht. Im Juni 2020 wurde in der EU auch ULTOMIRIS (Wirkstoff Ravulizumab) zugelassen. Der Unterschied zu Soliris besteht darin, dass der Abstand zwischen den intravenösen Gaben acht anstatt zwei Wochen beträgt. Mehr dazu finden Sie in dieser Pressemitteilung. Es wird erwartet, dass alle aHUS-Patienten (und vielleicht auch Patienten mit MPGN/C3-Glomerulopathie im Off-Label-Use) bald auf Ultomiris umgestellt werden können. Die größeren Abstände zwischen den Infusionen würden die Lebensqualität erheblich verbessern.

Ravulizumab gibt es bald auch für subkutane Injektionen (wöchentlich)! Mehr dazu finden Sie hier. Die Phase 3 dieser subkutanen Version betrifft allerdings zunächst nur PNH, also, es könnte noch dauern, bis das Medikament auch für aHUS zugelassen wird. Aber trotzdem gibt es Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität.

Parallel werden von einigen Herstellern ähnliche Wirkstoffe wie Eculizumab entwickelt, die so genannten Bio-Similars, wie z.B. abp 959 von der Firma Amgen, das sich gerade in der Phase 3 einer klinischen Studie für PNH befindet. Da aber bis mindestens 2023 noch die Patente von Alexion für Eculizumab laufen, ist mit den neuen Nachahmungen erst danach zu rechnen.

Infusion@Home

Die Medikamente Soliris und Ultomiris werden intravenös verabreicht: Soliris alle 2 Wochen, Ultomiris je nach Gewicht des Patienten alle 4 bis 8 Wochen. Heute noch erhalten zu viele Patienten ihre Infusion in der Klinik, Ambulanz oder beim niedergelassenen Arzt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Infusionen zu Hause, in der Schule/Kita oder am Arbeitsplatz zu bekommen. Viele unsere Mitglieder haben gute Erfahrungen mit Infusion@home – einem spezialisierten Fachpflegedienst für Seltene Erkrankungen. Der Arzt kann die Infusionen an eine ausgebildete Krankenschwester delegieren, die zu den Patienten nach Hause kommt, das Medikament und alle notwendigen Utensilien mitbringt, den Zugang legt und die Infusion durchführt.
Auch Kinder profitieren davon ganz besonders, da sie nicht aus ihrer häuslichen Umgebung rausgerissen werden und während der Infusion mit ihren Geschwistern weiterspielen, Hausaufgaben machen oder sich entspannen können.
Mehr dazu finden Sie auf der Webseite des Pflegedienstes https://www.infusionathome.eu/de/

Medikamentenentwicklungen für C3 Clomerulopathie (MPGN, Dense Deposit Disease)

Klinische Studien: Zum ersten Mal erreichte vor kurzen ein Medikament für C3-Glomerulopathie die Reife, in einer klinischen Studie der Phase III getestet zu werden! Die Neuentwicklung von Novartis – Iptacopan (Faktor B Hemmer) – wird in Deutschland an erwachsenen Patienten mit C3-Glomerulopathie getestet. Seit August 2021 werden für die Studie Patienten in mehreren Nierenzentren in ganz Deutschland rekrutiert. Weitere Details finden Sie hier. 

Ansonsten gibt es für C3-Glomerulopathie (MPGN, DDD) bisher keine zugelassene Therapie. Einige Ansätze sind auf unserer Seite hier beschrieben, u.a. auch der Einsatz von Eculizumab (s. oben) zeigt in 50% der Fälle eine gute Wirkung. Ansonsten werden Immunsuppressiva wie Kortison, CellCept (Mycophenolat Mofetil oder MMF), SandImmun sowie Blutdrucksenker (Ramipril, Losartan u.a.) eingesetzt, um Symptome zu mildern. Es wird jedoch an einer Reihe von Medikamenten geforscht, z. B. Moss-Faktor-H: es soll die fehlende oder reduzierte Aktivität des menschlichen Komplementfaktors H bei Patienten mit  C3G, aHUS und PNH ersetzen. Außerdem  werden so genannte Inhibitoren entwickelt, die die so genannten Faktoren blockieren sollen, um die Komplementenkaskade auf der Ebene C3 zu beeinflussen. Wahrscheinlich wird die Blockade auf der C3-Ebene jedoch nicht ausreichend sein, so dass die C5-Blocker (Eculizumab bzw. Ravulizumab) weiterhin als ergänzende Therapie herangezogen werden.

Über weitere Entwicklungen wurde beim Patiententag der Universität Iowa (USA) im Oktober 2020 berichtet. Über den Stand dieser Entwicklungen und über die Aussichten dieser neuen Medikamente auf Erfolg aus Sicht der Experten aus Iowa können Sie sich aus dem Bericht über diese Veranstaltung informieren (unter Punkt 5).

Was sind klinische Studien?

Die Entwicklung und Erprobung von Medikamenten für seltene Erkrankungen stellt Forscher und Pharmaunternehmen vor besondere Herausforderungen: Es stehen nur wenige Patienten für klinische Studien zur Verfügung. Nicht alle von ihnen erfüllen die Einschlusskriterien, viele sind über die ganze Welt verteilt. Wegen der kleinen Anzahl möglicher Studienteilnehmer*innen
müssen die Kriterien besonders streng sein, um zuverlässige Ergebnisse zu erreichen – wodurch in der Regel noch weniger Proband*innen/Patient*innen für die Teilnahme in Frage kommen. Eine Übersicht zum Ablauf solcher Studien finden Sie in dieser Broschüre.