Medikamente für aHUS
Für aHUS ist die wirksamste Therapie der Wirkstoff Eculizumab (Handelsname Soliris), der die Komplementenaktivierung auf der Ebene C5 blockiert. Es wird alle 2 Wochen (in einigen Fällen alle 3-4 Wochen) intravenös verabreicht. Im Juni 2020 wurde in der EU auch ULTOMIRIS (Wirkstoff Ravulizumab) zugelassen. Der Unterschied zu Soliris besteht darin, dass der Abstand zwischen den intravenösen Gaben acht anstatt zwei Wochen beträgt. Mehr dazu finden Sie in dieser Pressemitteilung. Es wird erwartet, dass alle aHUS-Patienten (und vielleicht auch Patienten mit MPGN/C3-Glomerulopathie im Off-Label-Use) bald auf Ultomiris umgestellt werden können. Die größeren Abstände zwischen den Infusionen würden die Lebensqualität erheblich verbessern.
Ravulizumab gibt es bald auch für subkutane Injektionen (wöchentlich)! Mehr dazu finden Sie hier. Die Phase 3 dieser subkutanen Version betrifft allerdings zunächst nur PNH, also, es könnte noch dauern, bis das Medikament auch für aHUS zugelassen wird. Aber trotzdem gibt es Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität.
Parallel werden von einigen Herstellern ähnliche Wirkstoffe wie Eculizumab entwickelt, die so genannten Bio-Similars. Es besteht die Hoffnung, dass diese Medikamente günstiger sein werden.
Infusion@Home
Die Medikamente Soliris und Ultomiris werden intravenös verabreicht: Soliris alle 2 Wochen, Ultomiris je nach Gewicht des Patienten alle 4 bis 8 Wochen. Heute noch erhalten zu viele Patienten ihre Infusion in der Klinik, Ambulanz oder beim niedergelassenen Arzt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Infusionen zu Hause, in der Schule/Kita oder am Arbeitsplatz zu bekommen. Viele unsere Mitglieder haben gute Erfahrungen mit Infusion@home – einem spezialisierten Fachpflegedienst für Seltene Erkrankungen. Der Arzt kann die Infusionen an eine ausgebildete Krankenschwester delegieren, die zu den Patienten nach Hause kommt, das Medikament und alle notwendigen Utensilien mitbringt, den Zugang legt und die Infusion durchführt.
Auch Kinder profitieren davon ganz besonders, da sie nicht aus ihrer häuslichen Umgebung rausgerissen werden und während der Infusion mit ihren Geschwistern weiterspielen, Hausaufgaben machen oder sich entspannen können.
Mehr dazu finden Sie auf der Webseite des Pflegedienstes https://www.infusionathome.eu/de/
Medikamente für C3 Clomerulopathie (MPGN, Dense Deposit Disease)
Für C3-Glomerulopathie gibt es seit April 2025 ein zugelassenes Medikament für Erwachsene ab 18 Jahren: Iptacopan (Handelsname Fabhalta). Es sind Kapseln, die zwei Mal täglich eingenommen werden müssen. Laut der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) haben Studien der klinischen Phase III an 74 C3G-Patienten die Wirkung von Iptacopan belegt: Nach 6 Monaten Behandlung hat sich die Proteinurie bei den Probanden im Vergleich zur Placebo-Gruppe im Schnitt um 35 % reduziert. Die aktive Substanz in Iptacopan blockiert Faktor B – ein Protein im angeborenen Immunsystem (Komplementsystem) – und verhindert dadurch die Beschädigung von Nierenzellen. Zu den Nebenwirkungen gehören häufigere Atemwegsinfekte (bei >1 von 10 Patienten) und Pneumokokken-Infektionen (bei >1 von 10 Patienten). Außerdem besteht ein höheres Risiko im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, an bekapselten Bakterien (Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae Typ B) zu erkranken, weshalb die Abgabe des Medikaments nur an Patienten zugelassen ist, die gegen diese Erkrankungen geimpft sind. Mehr dazu können Sie der Webseite der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) entnehmen: Link
Ein weiterer Wirkstoff, der gerade in klinischen Studien getestet wird, ist Pegcetacopaln – ein Medikament, das direkt an C3-Komplementen andockt, sie bindet und die C3-Ebene der Komplementenkaskade zu 90% hemmt, so dass noch genug C3-Komplemente für die eigene Immunabwehr übrigbleiben. Pegcetacoplan ist unter dem Handelsnamen Aspaveli in Deutschland bereits für PNH (paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie) zugelassen und kann bei Krankenkassen und Krankenversicherungen für eine Therapie außerhalb der Zulassung beantragt werden.
Für IC-MPGN gibt es bisher leider keine zugelassene Therapie, aber Patienten ab 16 können an einer klinischen Studie der Phase III mit Iptacopan (s. oben) teilnehmen. Mehr dazu finden Sie auf der Seite des Herstellers: Link. Weitere Ansätze sind auf unserer Seite hier beschrieben, u.a. auch der Einsatz von Eculizumab (s. oben) zeigt in 50% der Fälle eine gute Wirkung. Ansonsten werden Immunsuppressiva wie Kortison, CellCept (Mycophenolat Mofetil oder MMF), SandImmun sowie Blutdrucksenker (Ramipril, Losartan u.a.) eingesetzt, um Symptome zu mildern. Es wird jedoch an einer Reihe von Medikamenten geforscht, z. B. Moss-Faktor-H: es soll die fehlende oder reduzierte Aktivität des menschlichen Komplementfaktors H bei Patienten mit C3G, aHUS und PNH ersetzen.
Was sind klinische Studien?
Die Entwicklung und Erprobung von Medikamenten für seltene Erkrankungen stellt Forscher und Pharmaunternehmen vor besondere Herausforderungen: Es stehen nur wenige Patienten für klinische Studien zur Verfügung. Nicht alle von ihnen erfüllen die Einschlusskriterien, viele sind über die ganze Welt verteilt. Wegen der kleinen Anzahl möglicher Studienteilnehmer*innen
müssen die Kriterien besonders streng sein, um zuverlässige Ergebnisse zu erreichen – wodurch in der Regel noch weniger Proband*innen/Patient*innen für die Teilnahme in Frage kommen. Eine Übersicht zum Ablauf solcher Studien finden Sie in dieser Broschüre.